COVID-19 gönnt der
Natur eine Verschnaufpause
COVID-19: Die Corona-Pandemie raubt der Welt den Atem, legt derzeit ganze Volkswirtschaften nahezu lahm. Zahlreiche Unternehmen stoppten ihre Produktion und Lufthansa sucht händeringend Parkplätze für ihre Flieger. Die Tourismusbranche liegt am Boden. Die Venezianer sehen beim Blick durchs Fenster wieder Fische in ihren Kanälen. Und in der luftverschmutzten Lombardei platzen die Leichenhallen aus allen Nähten.
Italiens Natur – nur Kurzurlaub
oder langfristige Erholung?
In Venedig legen derzeit
keine Kreuzfahrtschiffe mehr an, was dazu führt, dass der Sandboden nicht
aufgewirbelt wird. Bilder in den Sozialen Medien zeigen Fische, Schwäne, Enten
und Delfine in der Lagunenstadt. Selbst ein Krokodil soll es geben – aber keine
Sorge, das war Fake, da erlaubte sich ein Witzbold einen Scherz. Niemand kann
sagen, ob das Wasser tatsächlich sauberer ist oder ob es nur klarer aussieht. Dafür
braucht es Wasserproben, die das belegen.
Was sich auf jeden Fall
positiv auf die Umwelt auswirken wird, ist das Ausbleiben des Massentourismus.
Im Zentrum der Lagunenstadt leben rund 50.000 Menschen und 20 bis 30 Millionen
Touristen kommen jährlich hinzu. Die Umweltbelastung, die dadurch für die Stadt
rund um den Markusplatz entsteht, lässt sich an fünf Fingern abzählen.
In Rom gab es anfangs
des Jahres Smog, inzwischen können die Römer wieder frische Luft schnappen.
Statt die Abgase von Bussen, Autos oder Mopeds einzuatmen, riecht die Luft nach
Frühling.
Italien – landesweite Ausgangssperre
Derzeit unterliegen die
Bewohner einer landesweiten Ausgangssperre, was zu weniger Verkehr führt. Die
CO2-Emission geht zurück, die Luft wird momentan besser. Satellitenbilder der Europäischen
Weltraumagentur ESA belegen eine Reduzierung
des Stickstoffdioxid-Gehalts in der Luft über Norditalien.
Rom verfügte am Sonntag per
Dekret die Schließung aller Fabriken, Büros und Firmen ab dem 23. März. Die
erlaubte Produktion beschränkt sich auf Lebensmittel, Getränke, Medikamente
sowie unverzichtbare Stoffe, wie Plastik, Gummi, Papier und Aluminium. Die
erforderliche Infrastruktur, wie Supermärkte, Post, Banken, Ölraffinerien,
Müllabfuhr, Wasserwirtschaft, Energieversorgung und Klimaanlagen bleibt intakt.
Arbeitern streiken für Schließung weiterer Fabriken
Allerdings geht dies den
Arbeitern der Metallindustrie rund um Mailand zu wenig weit. Sie streiken für
eine Schließung weiterer Fabriken und für schärfere Bestimmungen für die Lombardei – zu ihrem eigenen Schutz.
Die an die Schweiz
angrenzende Region – Hochburg der italienischen Wirtschaft – ist am schlimmsten
von COVID-19 betroffen. Hier lösen täglich neue Horrornachrichten über
Todeszahlen und Neuinfektionen die vorherigen ab. Forscher vermuten jetzt einen
Zusammenhang zwischen verpesteter Luft und Corona zu erkennen. Die Vorbelastung
durch die Luftverschmutzung in diesem Industriegebiet könnte schuld an den
hohen Todesraten in Italien sein. China leidet ebenso unter hoher
Luftverschmutzung, daher erhebt sich die Frage, wieso die Todeszahlen in China
niedriger als in Italien sind. Vermutlich spielt das Alter noch eine
wesentliche Rolle, Italiens Bevölkerung ist die älteste in Europa. Das
Durchschnittsalter (Altersmedian) der Italiener beträgt 46,3 Jahre, das der
Chinesen liegt bei geschätzten 38,4 Jahren.
Wie lange der positive Umwelteffekt
der Corona-Krise gerade in Italien anhält, muss sich zeigen. Italien gehört
nach wie vor zu den Sorgenkindern der EU. Finanziell immer am Rande eines
Staatsbankrotts, wird es für das Mittelmeerland nicht einfach werden, sich
wirtschaftlich zu erholen.
COVID-19: Deutschland – Klimaschutz 2020 wird erreicht
In Deutschland, im restlichen Europa und in Amerika dürfte der CO2-Ausstoß in den kommenden Wochen deutlich zurückgehen. Mit Frühlingsanfang geht die Heizperiode dem Ende zu, was automatisch zu einer Klimaentlastung führt.
Die Industrie steht
ebenfalls teilweise still. Geschäfts- und Urlaubsreisen kamen großteils zum
Erliegen. Außer der Rückholung von bisher über 120.000 im Ausland gestrandeten deutschen
Urlaubern durchs Auswärtige Amt, liegt der Flugverkehr praktisch lahm.
Die teilweise Anordnung
von Ausgangssperren entlastet den Straßenverkehr, was zu einem vorübergehenden
Rückgang des Stickstoffdioxid-Gehalts
in der Luft führt. Stickoxide reizen
und schädigen die Atmungsorgane und belasten die Umwelt. Gemäß dem Umweltbundesamt tragen sie zur sommerlichen Ozonbildung und zur Feinstaubbelastung
bei. Hauptverursacher sind dabei der Straßenverkehr in Ballungsräumen und
Feuerungsanlagen für Kohle, Öl, Gas, Holz und Abfälle.
Allerdings dürfte dies
nur eine vorübergehende Entlastung für die Umwelt sein. Klimaexperten sprechen
von einem Einmaleffekt, der nach der Corona-Krise schnell wieder verpuffen
wird. So mahnt das Umweltbundesamt, dass Verbraucher den Konsum oft nachholen würden
und ein Anstieg der Konjunktur zu noch höheren Emissionen führen könnte.
Schadstoffkonzentration in der Luft
Viele Faktoren tragen zur
Schadstoffkonzentration in der Luft bei. So spielt die Wetterlage eine wichtige
Rolle sowie Feinstaubbildung durch Düngung der Felder in der Landwirtschaft.
Die Auswirkung der Corona-Pandemie auf die Umwelt lasse sich erst nach genauer
Sicht der Datenlage bestimmen.
Einen positiven Effekt
bewirkt die COVID-19 Krise allemal. Deutschland wird das Klimaschutz-Ziel für
2020 voraussichtlich erreichen. Der warme Winter und der Stillstand durch das
Virus wird die Treibhausgasemissionen um mindestens 50 Millionen Tonnen CO2 gegenüber
dem Vorjahr senken. Je nach Verlauf der Krise noch mehr. Das zumindest
propagiert die Berliner Denkfabrik Agora
Energiewende, die die deutsche
und europäische Energiewende begleitet. Eine „Abschätzung der Emission 2020“
steht auf der Webseite von Agora Energiewende zum kostenlosen Download bereit.
Deutschland – Chance nach Corona: grünes Konjunkturpaket
Um die vorübergehende
Klimaschutz-Verschnaufpause in eine Langzeiterholung umzuwandeln, bedarf es
eines grünen Konjunkturpakets.
Keinesfalls darf es nach der Viruswelle zur Kürzung klimaschutzrelevanter
Investitionen führen.
Insbesondere muss das beschlossene
Notfallpaket für die Industrie Vorgaben enthalten, in effizientere und klimaschonendere
Technologien zu investieren. Um die Konjunktur im Bausektor anzukurbeln,
sollten Gebäudesanierungen zur Verbesserung des Wärmeschutzes im Mittelpunkt
stehen.
Im Automobilsektor muss
die Produktion von Elektrofahrzeugen Vorrang erhalten. Laut der Denkfabrik Agora
Energiewende sollte die
Industrie die beginnende Kurzarbeiter-Phase für Trainingszwecke und Schulungen
für die neuen Technologien nutzen. Neue klimaschonende Investitionen brauchen
entsprechende Qualifikationen. Jetzt heißt es, die Zeit zu nutzen, um nach der
Krise startklar zu sein.
„Ein Wachstumspaket, das
diese Elemente nicht berücksichtigt und blind alte Technologien fördert, wäre
demgegenüber sogar schädlich, weil es höhere Emissionen auf Dauer zementieren
würde. Es ist daher jetzt nötig, dass zügig entsprechende Konzepte erarbeitet
werden“, lautet die klare Aussage der Berliner
Denkfabrik.
Schließung von Büros – arbeiten von zuhause
Jeden Tag erhalte ich
von verschiedenen Firmen und Institutionen E-Mails. Alle teilen mir mit, dass
ihre Büros geschlossen seien, aber das Business wie gewohnt weiterliefe. Die
Unternehmen sind gut vernetzt, die Mitarbeiter arbeiten von zuhause aus. Der Dienstleistungssektor
funktioniert digital.
Damit das teilweise
leistungsschwache deutsche Internet nicht in die Knie geht, haben die
Streamingdienste Netflix, Youtube, Amazon Prime und Co. ihre Übertragungsraten
gedrosselt. Die in Quarantäne zuhause sitzenden Dauergucker sollen die im
Homeoffice arbeitenden Beschäftigten nicht behindern. Wie viel zusätzlicher
Stromverbrauch durch Dauernutzung von Fernseher und Internet entsteht, der die
Umwelt belastet, wird sich noch zeigen.
Die COVID-19 Krise wird
die Businesswelt verändern, künftig wird eine veränderte Firmenkultur
herrschen. Mitarbeiter werden vermehrt im Homeoffice arbeiten, das spart die
Kosten für einen Arbeitsplatz im Büro. Videokonferenzen, statt Meetings vor
Ort, reduzieren Fahrtkosten. Die überlebenden Firmen werden die Griffel
spitzen, um am Markt zu bleiben. Ein Vorteil ist, dass eine eingeschränkte
Mobilität letztlich dem Klimaschutz dient.
COVID-19: China – Satellitenbilder der NASA
China war Ausgangspunkt
von COVID-19. Von hier aus verbreitete sich das neue Virus in Windeseile. Das
chinesische Neujahr feierten die Chinesen Ende Januar, anfangs Februar. Das
Jahr der Metall-Ratte begann unter keinem guten Stern.
Jedes Jahr verhilft das chinesische
Neujahr der Umwelt zu einer kurzen Verschnaufpause. Viele Firmen haben
Betriebsferien, die Produktion in den Fabriken steht still. Das Corona-Virus
verlängerte in diesem Jahr die Pause.
Satellitenbilder der NASA belegen einen Rückgang der Luftverschmutzung in China. Das Corona-Virus zwang die Chinesen dazu, Fabriken zu schließen und die Provinz Hubei abzuschotten. In der Folge sank die Konzentration des Stickstoffdioxids (NO2) deutlich. Aktuelle Messdaten belegen einen Rückgang der Stickoxidwerte um zehn bis 30 Prozent gegenüber den sonst üblichen Werten.
Jetzt hebt China die
Sperren um Wuhan wieder auf und die Maschinen in den Fabriken laufen an. Wie es
mit dem Ausstoß an Treibhausgasen weitergeht, wird sich zeigen. Schrumpft die Wirtschaft,
nimmt die Umweltverschmutzung ab. Mal sehen, wie lange es braucht, bis die alten
Werte erreicht sind.
COVID-19 – Schreckgespenst
ohne schnelles Ende
War der Blick zu Beginn auf China gerichtet, erschrecken inzwischen die Zahlen aus Italien. Spanien steht nicht viel besser da und die USA ist inzwischen in Chinas Fußstapfen getreten. Wie es in UK weitergeht, bleibt abzuwarten. Boris Johnson ordnete inzwischen Ausgangsbeschränkungen an, um eine Ausbreitung einzudämmen. Aber er und die Queen schütteln als Vorbilder nach wie vor noch fleißig die Hände, von sozialer Distanz halten die beiden wohl nicht viel. Nach letzten Nachrichten, ist Boris Johnson am Virus erkrankt. Auch Prinz Charles soll betroffen sein.
UK – marodes Gesundheitssystem
Das britische Gesundheitssystem gilt als marode und zahlreiches Klinikpersonal hat das Land bereits wegen des Brexits verlassen. Krankenschwestern schützen sich teils mit Müllbeuteln – ein Trauerspiel. In Deutschland zeichnet sich aufgrund der rigorosen Maßnahmen eine leichte Entspannung ab. Leider war die Entspannung nur vorübergehend, inzwischen ist die Anzahl an Neuerkrankungen wieder hochgeschnellt und die Todesfälle nahmen zu.
Die wirtschaftlichen
Folgen dieser Krise kann derzeit niemand beziffern. Niemand weiß, wie viele
Tote es noch geben wird. Und niemand kann abschätzen, wie lange der Ausnahmezustand
noch andauert. Wir stehen etwa zwei Monate hinter China, bleibt zu hoffen, dass
es nicht schlimmer als in China wird. Hoffnung gibt Südkorea, die Koreaner
haben es dank ihrer umfangreichen Tests geschafft, das Corona-Monster
einigermaßen in Griff zu bekommen.
Not macht erfinderisch,
heißt ein altes Sprichwort. Vielleicht geschehen noch Zeichen und Wunder,
bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Am Ende der Krise wird es Gewinner und
Verlierer geben, des einen Fluch, des anderen Segen. Vielleicht trifft die
Natur einfach nur eine darwinsche Auswahl, um sich selbst zu heilen.
Und solange unsere größte Sorge dem Hamstern von Toilettenpapier gilt, besteht noch Zuversicht, die Krise zu überstehen.
von Christa Stuber, 28.03.2020